Im August 2017 reiste ich in die Mongolei. In ihren äußersten Westen, unweit von Russland und China. In die abgelegenen Hoch-Steppen des Altai. Fernab jeglicher touristischer Strukturen begegnete ich nomadischen Familien und unvorhergesehen einem Schamanen. Bis dahin war mir die Mongolei ein unbekanntes Land. Ein Klang von Mythen. Etwas sehr Altes und Ursprüngliches. Weit und rau und wild. Riefen mich. Von hier aus gesehen konnte ich kaum weiter weg, von dem was mir bekannt gewesen war, gelangen. Das war der Entscheidung gebende Impuls.
Im Altai fand ich nicht nur eine imposante Landschaft, sondern eine starke Natur, die jedes Sein fordert. Eine Wildnis, die nicht immer wirtlich ist, vielmehr unberechenbar sein kann. Kälte, die kommt. Sonne, die brennt. Wind, der zehrt. Regen, der ausbleibt. Schnee, der überrascht.
Die Nomaden, die ich traf, hatten ein offenes Herz, wie es wohl charakteristisch ist für Menschen, die von Überstimulation verschont sind. Sie nahmen mich als Fremde auf. Zurückhaltend, gleichzeitig neugierig, auf eine direkte Art, ohne mich in den Fokus zu rücken. Gastfreundschaft ist selbstverständlich und essentiell. Die Individuen sind eingebettet in eine weit verzweigte Familie, deren komplexes Geflecht von außen kaum entschlüsselbar ist. Jeder ist substantielles Teil eines vollständigen Organismus, in dem jeder seinen Platz kennt. Unentbehrlich und eigen ist. Der Natur ausgeliefert, mit der sie existieren, ist es nicht nur überlebensnotwendig diese zu kennen, sondern auch einander zu haben. Ich-Identifikation, Individualismus und Unabhängigkeit, die in Europa ihre Spuren auf den Menschen hinterlassen, sind in einer solchen Welt keine funktionalen Eigenschaften. In den Jurten war ich eingeladen dabei zu sein.
Die nomadische Kultur ist archaisch, auch wenn Konventionen nicht mehr überall in ihrer ganzen Bedeutung gelebt werden. Doch strukturieren noch immer viele Regeln das Leben. Die Welt hat eine Ordnung.
Über Mobiltelefone, die nicht durchgehend Empfang haben und Satelliten-Fernsehen und -Internet, die es in manchen Jurten auch in unwegsamer Gegend, auf über 2500 m Höhe gibt, findet die „Zivilisation“ Eingang.
Viele Gebrauchsgegenstände aus Plastik, sammeln sich in nomadischen Haushalten. Vielfach aus China importiert. Seit Anbeginn ihrer Zeiten gewohnt vergängliche, vor allem tierische Werkstoffe oder wertvolles Metall zu verwenden, sind die neuen Materialien Fremdkörper. Spätestens dann, wenn sie zu Müll geworden sind, der nicht verrottet.
Tiefgreifende Folgen für das nomadische Leben haben Klimawandel und mongolische und internationale Konzerne, die Umweltverschmutzung und -zerstörung begehen. Für Rohstoff-Abbau wird Wasser gestaut, so daß tiefer liegende Weidegebiete vertrocknen oder hoch giftige Stäube werden vom Wind weit getragen, wo das Vieh verseucht wird. Land, Flüsse und Berge, die heilig sind, sind verraten worden.
Niemand weiß wie lange die nomadische Kultur bewahrt bleiben kann.
Von den einfachen und harten Lebensumständen der Nomaden war ich tief beeindruckt. Die Arbeit ist physisch anstrengend und es gibt keinen Komfort. Einzig die tierischen Produkte von unübertroffener Qualität. Sie besitzen wenig, denn mehr belastete das Umziehen. Auch ist es nicht leicht Dinge, die nicht vor Ort zu generieren sind, zu beschaffen. Wege sind weit und mühevoll. Medizinische Versorgung ist schwer erreichbar und die hygienischen Verhältnisse sind schlicht. Ärmlich erschienen die Nomaden mir nicht. Eine Würde ging von ihnen aus. Voller Stolz.
So wie ich bei den Nomaden das für mich Neue erlebte, war ich als Westliche für die Nomaden Botin von Fremdem. Ich fühlte mich nicht beurteilt, eher mit Humor und Toleranz betrachtet.
Beobachte ich mich selbst aufmerksam und untersuche ich den Kontaktmoment an dem das Unvertraute auf das Gewohnte trifft, durchlässig, erfolgt Veränderung. Lasse ich mich frei von Bewertung und unbefangen berühren, werde ich reich beschenkt.
Eine weise Frau, die ich nach dem Extrakt des Wesens ihrer Heiterkeit befragte, antwortete, man solle sich nicht so viel ärgern und nicht gierig sein.
Leere, Ruhe und Langsamkeit waren für mich ein heilender Faktor. Dies ist eine andere Definition von Komfort.
In all dem begriff ich eine unendliche Schönheit.
Glasklares Fließen, heller Ton am Bergbach. Sieben Pferde galoppieren entlang des Wasserlaufs.
Vita
seit 2010 Mitglied im Künstlerhaus Hamburg e.V. »FRISE«
(2012 - 2015 im Vorstand)
seit 2002 Freie Künstlerin
2000 - 2002 Studium der Freien Kunst bei Prof. Olav Christopher Jenssen an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg
2000 Diplom
1992 - 2000 Studium der Freien Kunst bei Prof. Olav Christopher Jenssen und Prof. Dietrich Helms; Grundklasse bei Prof. Bogomir Ecker an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg
Ausstellungen
seit 1998 regelmäßig Einzel- und Gruppen-Ausstellungen im In- und Ausland
Stipendien und Artist in Residencies
2017 Reise-Stipendium Mongolei, Hyper Cultural Passengers
2015 Artist in Residence, St. Christoph am Arlberg / Österreich
2013 Artist in Residence, Carex, Groningen / Niederlande
2012 Arbeitsstipendium im Künstlerhaus Lukas, gefördert durch das Land Mecklenburg- Vorpommern
1999 Projekt-Förderung durch den Freundeskreis der Hochschule für bildende Künste Hamburg
1999 Preis der Sammelstiftung Hamburg