Ich packe meinen Koffer und ich nehme mit:
eine einfache analoge Kamera, drei Diafilme, eine nicht ganz so einfache, digitale Fotokamera, die auch filmen kann, Speicherplatz, Ladegeräte, Landkarten, eine Reservierung für ein Auto mit 4-Rad-Antrieb, eine Reservierung für die erste Nacht in einer Jugendherberge
Ich erahne eine Frustration: die Dias, die mit der Billigkamera aufgenommen wurden, zu einem Dia-Vortrag zusammenzustellen. Sie KÖNNEN garnicht gut aussehen, so schlecht ist die Kamera. Ich will es trotzdem, behaupte mal, das Beeindruckende muss der Ort schon selber hinbekommen. Was ich mit den digitalen Geräten vorhabe weiss ich noch nicht.
Ich nehme mir vor „ergebnisoffen“ zu sein, was ich bin, ist am Anfang wie immer:
Disability spotting
Ich folge meinen Zwang. Auf dem Flughafen viele Rollstühle gesehen.
Na und?
Analog/digitalAnalog/digitalAnalog/digitalAnalog/digital
Heute morgen einen rot-gelben Transporter mit Rampe im Heck gesehen.
Na und?
Die Tickets zum Turm der Hallgrimskirkja werden von einem Team verkauft. Ein Mann gibt Auskunft über die Preise und händigt danach einem anderen Mann die Tickets aus. Dieser gibt sie dann den Besuchern. Der zweite Mann hat eine Behinderung. Die Szene ist seltsam. Eine Begegnung wird erzwungen, aber die Kontrolle behält der Mann ohne Behinderung. Er unterweist den anderen Mann. Ich bin ein Besserwisser über den Umgang mit Behinderung. Das macht mir keinen Spaß. Das kann es nicht sein, was ich hier will. Beobachten und verurteilen.
Ich habe im Internet Institutionen recherchiert, die etwas mit „Behinderung“ zu tun haben und fahre sie an – aber was soll mir diese Reha-Einrichtung sagen?
Die Frau im Rollstuhl, die mir etwas über das Altenheim für selbständige Rollstuhlfahrer erzählt, erwähnte ihren Bruder, der nach Karlsruhe ging um dort zu studieren. Er wurde mit zwanzig Jahren überfahren. Direkt nach dem Unfall stand er wieder auf. Am nächsten Tag starb er an seinen Hirnverletzungen. Die Kamera läuft. Möchte ich das hören? Derzeit: NEIN. Ich bin zu offen für alles, was mir das Gleichgewicht rauben kann. Gerade dabei es selber wieder herzustellen.
Die Physiotherapeutin erzählt mir, dass Island zwar die UN-Konvention ratifiziert hat, aber ein Gesetz, das unabhängigeres Leben erlauben würde, ständig nicht verabschiedet. Diesen August soll es denn passieren, mal sehen. Sie schickt mich zur „Heimleitung“, die weiss mehr. Langsam wird mir das zu viel. Ich nehme verstohlen den Ausgang. Ich habe einen Eindruck bekommen. Ich entscheide, dass das reicht. Mache noch ein Foto von diesem tristen aber freundlichen Komplex.
Später verstehe ich, was Island bei Behindertenparkplätzen anders macht. Sie sind auf dem Niveau des Bürgersteiges. Um darauf zu gelangen muss man häufig eine Mini-Rampe mit dem Auto hochfahren. Wenn man dann aber ausgestiegen ist, befindet man sich sofort dort, wo man hinwill. Von der Bau-Ästhetik ist das erstmal gewöhnungsbedürftig, aber es erscheint mit eine logische und praktische Lösung!
Arnastapi. Ich habe einen portugiesischen Kellner und eine polnische Kellnerin nach Hause gebracht. Sie waren zum Whale-Watching in Olafsvik. Natürlich hatte ich Angst, dass sie etwas aus dem Auto mitnehmen. Ich stellte mich als Künstler vor, der Fotografie missbraucht. Use and Abuse of photographie. Ennoy people with this Umgang mit den Bildern. Anwalt der Fehler, not perfect Dinge. So wird Gott nicht böse. Nam Jun Paik. Zuerst mache ich ein Bild aus dem Auto. Während wir fahren kommen wir an einem schönen Moosfeld vorbei. Ich halte an, gehe kurz einen Blickwinkel suchen. Damit es „gut“ geworden wäre hätte ich mir mehr Zeit nehmen müssen. Aber ich hatte Angst, dass sie die Chance nutzen, mein Auto zu durchsuchen. Ich bin das wandelnde Misstrauen die ständige Negativität.