Programm PreView 2025

Eine Werbetafel auf dem Bahnsteig mit abgerissener Oberfläche.

Über die Ästhetik des Handelns
Mit:

Exclusive Art 2,
eine Kooperation mit der Galerie der Villa/ Elbe Werkstätten

Andreas Gehlen / Daniel Janik

Klasse Linde (Kunststudierende aus Kiel)

Transgenerational Transmissions

Anonyme Zeichner (Anke Becker)

48h Wilhelmsburg

Michaela Melián

Veddel Art Weeks 2025

Oliver Ross

„Im Sprechen und Handeln realisiert sich Leben als inter-esse,
sind die realen Anderen da, hat man mit ihnen zu tun“.
(Hannah Arendt im Interview mit Günther Gaus)


Im Jahr fünf unserer Aktivitäten auf der Veddel wollen wir basale Fragen von
ästhetischem Handeln und künstlerische Praxis im öffentlichen, im sozialen und politischen Raum eröffnen.

Was ist? Was ist wichtig? Was kann Kunst?

›Inter-esse‹, drückt im dem Dazwischensein, das Verhältnis (oder der Widerspruch) von Idealität und Realität aus. Mit dem Begriff Interesse verbindet sich eine Haltung des Einzelnen mit dem was Welt darstellt. Interesse in seiner lateinischen Herkunft bedeutet soviel wie zwischen mir und etwas. Dieses Zwischen ist der Bereich der Kommunikation zwischen Menschen und alledem, was nicht das eigene Selbst darstellt. Interesse braucht die Benennung von Unterschieden. Dies zu verstehen eröffnet eine Perspektive des Zugriffes auf ein objektives
Gegenüber.


In Kants Ästhetik und Kritik der Urteilskraft wird von dem so genannten interessenslosen Wohlgefallen gesprochen. Diese Position erhebt Ästhetik als Geschmack, die das Subjektive und nicht Kritische betont. Oder es wird ein Begriff des Schönen erhoben, der sich jeglicher Kritik entzieht und eine aus heutiger Sicht merkwürdige, fast göttliche Behauptung, der Künstler (hier nur männlich) sei der Neffe Gottes vertritt.


„Wo immer Menschen zusammen sind […] bilden sich öffentliche Interessen“, sagt Hannah Arendt im Interview mit Günther Gaus. D.h. Interessen beleben nicht per-se und von selbst, sie werden gebildet. Und an dieser Bildung sollten alle teilhaben können. Interesse bildet eine Differenz als sprachlicher Ausgangspunkt des eigenen Selbst, sich in die Welt einzumischen. Und in der Bedingung von Welt eröffnet es eine Position, Haltung und Aktion im Intersubjektiven. Damit bedingt Inter-esse einen objektiven sozialen,
politischen Raum als Differenz zu definieren. (Siehe: Das bedingte Leben, Friedrich Heubach).

Es gibt eine Version über die Herkunft des Wortes Kommunikation. Diese geht zurück auf das römische Landrecht, nachdem zwei aneinandergrenzende Felder, eine gemeinsame Mauer teilen und sie gemeinsam besitzen. Mit dieser Mauer, wird der Unterschied und das Eigentum und damit das Interesse der jeweiligen Beteiligten markiert.
Interesse soll hier als eine Verhandlungsgrundlage von Kunst, Künstlerin und Welt verstanden werden. Interesse ist die Angabe der Perspektive von wo aus auf was, von wem geblickt wird. Interesse ist eine Absicht, die deutlich herausgearbeitet wird und von Differenzen in Sprache, Objekt und Bild sich ereignet. Interesse ist Imagination, Metaphorik, Symbolik, die die einzelnen bedingt, und ins Spiel bringt. Der Zugriff der künstlerischen Aktion in den politischen, sozialen, aber auch im subjektiven Raum ist eine Art der kommunikativen Legitimaton: Künstlerischer Praxis jongliert in Begrifflichkeit, Ansprüchen genauso wie in Sinnhaftigkeit und Poesie. Kunst, wenn sie sich nicht im überkommenden patriarchalen Genie-Begriff bewegt, sondern sich auf Aktualität und Probleme von Welt bezieht, befindet sich in einem 7 Dilemma: Die thematische Hinwendung zu relevanten Themen von Zeit, Gesellschaft, und Globalität wird oft als banale Anwendung missverstanden. Anderseits wird Kunst, die sich explizit als „frei“ versteht, zu einem selbstreferenziellen Artefakt, dass sich einschließt in westliche Vorstellungen des White Cubes, der als Tresor eines zentralistischen Kulturbegriffs den Dünkel wart und merkantilen Interessen folgt.


Die Frage aktueller Positionierungen zwischen Freiheit der Kunst und politischen Handeln, eröffnet neue Felder künstlerischer Praxis und stellt gleichzeitig eine Gefahr dar, als Funktion in Gesellschaft vereinnahmt zu werden und somit ihre besondere und entkoppelte Positionierung verliert. Relevanz oder „Innere Notwendigkeit“ von Kunst kann als ein Zeichen der Zeit in dem Dazwischen stattfinden. Inter-esse von Kunst und Künstlerin braucht eine äesthetische Praxis, die Widersprüche nicht nur duldet, sondern sie bewusst sichtbar macht.

In diesem Jahresprogramm werden wir parallel zu unseren Aktivitäten in der
Nachbarschaft und mit den verschiedenen Communities explizit Künstlerinnen einladen, die sich zuerst auf ihre Selbst-Perspektive, dann den Kontext und zuletzt um eine Öffnung in den öffentlichen politischen Handlungsraum positionieren. Wir möchten Künstlerinnen dazu einladen, eine einfache Frage zu erheben, nachdem was für Sie zentral und Bedingung ihres künstlerischen Ansatzes ist. Es geht darum zu prüfen, ob künstlerisches Schaffen Interessenlosigkeit oder eben eine Absicht in der Handlung darstellen soll. Die Künstler Liste nennt jeweils einen Ausgangspunkt, der als eine Art Card Blanche die Künstlerinnen einlädt, weitere Künstlerinnen dazu zu laden. Somit ist zum jetzigen Zeitpunkt die Absicht klar, wer agieren wird, nicht aber was oder wer zusätzlich Impulse der jeweiligen eigenen Interessen eröffnen.